Mit der Bergzahnradbahn auf den Monte Generoso(red) Einmal Pierce Brosnan sein, ganz oben stehen und sich dann fallen lassen. Kein Problem, am Eingang zum Verzarsca-Tal im Tessin wölbt sich genau die Talsperre in die Höhe, von der sich 007 in „GoldenEye" in die Tiefe stürzte. Nicht nur James-Bond-Fans können dem Geheimagenten seiner Majestät hier nacheifern. Die höchste stationäre Bungee-Sprunganlage der Welt befindet sich in der Mitte des 380 Meter breiten und 220 Meter hohen Staudamms am Vogorno-See und sorgt bei Schwindelfreien für wohliges Gruseln. Für 225 Schweizer Franken etwa acht Sekunden im freien Fall bis das Gummiband nach oben reißt, dazu umsonst eine Jahresration Adrenalin, für gänzlich Unerschrockene „sind sogar nachts Sprünge möglich", sagt Omar Gisler, Mediendirektor von Ticino Turismo. Der südlichste Schweizer Kanton ist mit mehr als 2.300 Sonnenstunden die verwöhnteste Region im Land der Eidgenossen und lässt mit 3.600 Kilometer Wanderwege, 740 Kilometer Radwege und mehr als 130 Bergseen die Herzen aller Naturfreunde höher schlagen.
Das Verzarsca-Tal hat aber noch viel mehr zu bieten, speziell für Outdoor-Liebhaber, die Expeditionen zu Fuß oder per Mountainbike einem eintönigen Strandurlaub vorziehen. Das smaragdgrüne „Herz des Tessins" lockt mit kristallklarem Wasser, einer bizarr-schön geformten Felsenlandschaft und nicht zuletzt mit dem Fotomotiv, das in keiner Bilderschau fehlen darf – der romanischen Doppelbogenbrücke „Ponte dei Salti" mit dem Kirchturm von Lavertezzo dekorativ im Hintergrund. Beim Bewundern der Kaskaden vom trockenen Ufer aus bleibt es nicht für alle, denn die bis zu 14 Meter tiefen Verzasca-Gewässer sind für Flusstaucher und Unterwasserfotografen ein permanentes Suchtrisiko. Ungefährlich ist dies nicht, da plötzliche Niederschläge weiter oben im Tal die Verzarsca zu einem reißenden Fluss anschwellen lassen können. Aber man muss nicht unbedingt durch ihre Gebirgsbäche schwimmen, die Täler im Tessin lassen sich auch mit dem Reisemobil erkunden. Das schmale Verzarsca-Sträßchen mit nur wenigen Serpentinen ist für geübte Wohnmobil-Fahrer ohne Anstrengung zu bewältigen, schließlich fährt auch der legendäre Schweizer Postbus regelmäßig bis zur Endhaltestelle in Sonogno. Das Städtchen steht exemplarisch für das Ortsbild der Siedlungen in den Tälern mit ihren steinernen Kirchen samt imposanten Glockentürmen, den typischen weiß umrandeten Fenstern (um Mäuse und Gespenster abzuschrecken), den empfehlenswerten Landgasthöfen (Grotti) und charakteristischen Marktplätzen (Piazetti). Die Legende besagt, dass Fabelwesen die Wälder verließen, um „armen Menschen mit reinen Herzen" beim Hausbau zu helfen. In einer einzigen Nacht hätten sie aus magischen Steinen die einfachen Gebäude und Ställe errichtet, die den heutigen Charme der Tessiner Seitentäler ausmachen: die Rustici. Sie bilden mit ihrem grauen Fassaden und anthrazit farbenen Schieferdächern einen reizvollen Kontrast zum Grün der Flüsse und Wälder. Die einst kärglichen Unterkünfte begeistern heute Berg- und Wanderfreunde aus aller Welt, die ein Stück authentisches Tessin erleben wollen.
Was wäre das Tessin ohne seine Bergbahnen? „Zwischen Airolo und Chiasso gibt es mehr als 20 solcher Bahnen, die die Besucher auf die Gipfel bringen", berichtet Omar Gisler, „darunter die Standseilbahn Ritóm in Piotta, die mit einer Neigung von bis zu 88 Prozent eine der steilsten Bahnen der Welt ist." Während diese Seilbahn vor 90 Jahren die Arbeiter zum Bau des Ritóm-Staudamms hochtransportierte, erreicht man den Hausberg Locarnos, den Cardada auf 1340 Meter Höhe, bequem innerhalb von fünf Minuten mit der vom Tessiner Stararchitekten Mario Botta entworfenen Luftseilbahn. Oben angekommen, trauen sich schwindelfreie Gäste auf die scheinbar schwebende Aussichtsplattform mit einem sensationellen Blick auf den See und den gegenüberliegenden Monte Tamaro. „Mit etwas Glück kann man von dort den tiefsten Punkt, die Delta Flussebene bei Ascona, und die höchste Spitze der Schweiz, den Monte Rosa, sehen", erzählt der Tessiner Mediendirektor. Wer ohne Schnaufpausen noch 330 Meter höher hinauf will, nimmt den Sessellift auf die Cimetta und genießt von der geologischen Beobachtungsstation aus einen Panoramablick von 360 Grad. Bei gutem Wetter lockt der Rhododendron-Pfad die Bergwanderer weiter zum Gipfel des Madone auf 2.000 Meter. Auf keinen Fall dürfe man den Ausflug auf den berühmtesten aller Tessiner Aussichtsberge verpassen, den Monte Generoso, sagt Gisler. Dabei könnten zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden: der unvergleichliche Blick vom Gipfel und die Fahrt mit der einzigen Bergzahnradbahn ihrer Art. Parken kann man das Reisemobil übrigens in Gehnähe zur Talstation in Capolago. 40 Minuten ruckeln die Bahnfahrer die neun Kilometer lange Strecke zur Bergstation auf 1.600 Meter Höhe. Nostalgie pur – die Zahnradbahn wurde 1890 eröffnet – und gleichzeitig Entschleunigen beim Anblick der vorbeiziehenden Landschaft in Cinemascope. Für Astronomie-Freunde bietet der Generoso nach Recherchen der Tessiner Zeitung eine faszinierende Neuheit: „Dank eines leistungsfähigen Teleskops kann jetzt die Sonne im Detail betrachtet werden." Organisiert wird das Angebot von der Astronomie-Gruppe Sonnenbeobachtungen.
Auf der Rückfahrt an den Lago Maggiore lohnt sich ein Stopp bei Swissminiatur in Melide, vier Kilometer südlich von Lugano. „Auf einer Fläche von 14.000 Quadratmeter erleben unsere Besucher mehr als 120 handgefertigte Modelle der bekanntesten Gebäude, Kathedralen, Denkmäler und Transportmittel der Schweiz", sagt Martina Di Ponziano, Verkaufsleiterin der Exposition Swissminiatur, „alle im Maßstab 1:25, außerdem fahren Modelleisenbahnen mit 18 Zügen durch das Gelände." Im Juni 2011 kamen der Glacier Express und Elm als neue Modelle hinzu. Seit der Eröffnung des Parks anno 1959 haben Di Ponziano zufolge mehr als 21 Millionen Modellbau- und Modellbahnbegeisterte die Ausstellung bewundert, kein Wunder, „wir sind der einzige Miniaturpark der Schweiz."
Zurück in Locarno ist die Bootsfahrt zu den Brissago-Inseln, dem Botanischen Garten des Tessins, ein Muss - nicht nur für Gartenliebhaber. Rund 1700 Pflanzenarten aus allen Kontinenten warten auf die 500 bis 1.000 Besucher, die täglich das Inselchen San Pancrazio ansteuern. Den ersten Park ließ die Baronin Antonietta de Saint-Léger bereits 1885 mit exotischen Gewächsen und einem herrschaftlichen Haus anlegen. Ihr Salon entwickelte sich zum Treffpunkt der politischen und kulturellen Elite, darunter Exil-Russen wie Lenin und Trotzki oder Literaten und Maler wie Paul Klee, James Joyce oder Hermann Hesse, dessen 50. Todestag in 2012 hier gefeiert wird. Schließlich lebte der Schriftsteller mehr als 40 Jahre im Tessin und schuf die Werke „Siddharta" oder „Der Steppenwolf". In Montagnola bei Lugano befindet sich im ehemaligen Wohnhaus das Hesse-Museum samt Rundweg, auf dem sich der Dichter von der Landschaft inspirieren ließ. Pflichtbesuch für Hesse-Fans ist der Friedhof von Gentilino, wo sie am Grab ihres Idols eine Gedenkminute einlegen können.
Rings um den Lago Maggiore befinden sich mit die schönsten Campingplätze im Tessin. Einige haben sich der „Associazione dei Campeggi Ticinesi" angeschlossen, um gemeinsam für ihre Interessen einzutreten, beispielsweise durch einen Gemeinschaftsstand auf Touristikmessen oder mit gezielten Werbeaktionen. Die Plätze haben den Vorteil, dass die Gäste mit dem Wohnmobil vom See aus Tagestouren in die Umgebung unternehmen können. Hier eine Auswahl:
Zwischen der Mündung der Verzarsca und dem Nordufer des Lago Maggiore erstreckt sich der Campingplatz Campofelice auf einer kleinen Halbinsel. „Mit 235.000 Übernachtungen pro Saison und 860 Stellplätzen zählt unser mehrfach ausgezeichnetes Camping-Paradies zu den größten und renommiertesten Plätzen Europas", sagt Simone Patelli, stellvertretender Geschäftsführer des 5-Sterne-Platzes in Tenero. Knapp die Hälfte der Stellplätze verfüge über einen Trinkwasseranschluss und sei direkt an das Abwassersystem angeschlossen. 110 Saisonplätze, drei Ferienwohnungen und 29 Mietwohnwagen runden das Angebot ab. Seit 1955 auf dem Markt hat sich Campofelice zu einem internationalen Camping-Treffpunkt entwickelt. „Unsere Gäste kommen zu 50 Prozent aus der Schweiz, ein Viertel aus Deutschland und circa 20 Prozent aus den Niederlanden", erzählt Patelli, dessen Platz 2009 das begehrte Eco Camping Gütesiegel bekommen hatte. Eine unter vielen Auszeichnungen aus dem In- und Ausland. Für 2011 hat das Team von Campofelice ein neues bemerkenswertes Projekt angeschoben. „In Zusammenarbeit mit der Stiftung Cerebral haben wir einen Rollstuhl tauglichen Bungalow eingerichtet", sagt Patelli, „um bewegungseingeschränkten Gästen und deren Familien eine Urlaubsform anzubieten, bei der sie gut versorgt und mit allen Hilfsmitteln ausgestattet sind." Ein Zeltpavillon als wetterunabhängiger Unterhaltungsraum mit einer 20 Quadratmeter großen LED-Leinwand für TV-Übertragungen und Filmaufführungen sowie ein Bootshafen mit Tret-, Schlauch- und kleinen Motorbooten sowie Kajaks und Kanus bilden weitere Highlights für die Campofelice-Gäste.
Der Campingplatz Tamaro in Tenero existiert seit 60 Jahren, doch erst 2006 hat ihn in die Familie um Senior Veio Zanolini erstanden und professionell in die Liga der besten Plätze am See geführt. „Während andere Platzbetreiber klagen, konnten wir den Umsatz in Jahr 2011 um rund fünf Prozent steigern." Warum? Weil die Gäste die Qualität des Camping Tamaro belohnten, und diese zu halten, ist nicht umsonst zu haben. „Wir investieren jedes Jahr rund 150.000 Franken in unseren Platz, in diesem Jahr beispielsweise in den Ausbau des Internet", erzählt die Geschäftsführerin, Tochter Karin. Auf den 50.000 Quadratmeter Fläche hätten bis zu 2.000 Gäste Platz, wobei von den 430 Stellplätzen allein 130 ihren Dauercampern zur Verfügung stünden. 70 Prozent der Gäste stammten aus der Schweiz, etwa 20 Prozent aus Deutschland, weniger als zehn Prozent aus den Niederlanden und der kleine Rest verteile sich auf Frankreich und Italien. Der nächste Marketing-Clou wird nicht nur die Stammgäste des Tamaro-Campingplatzes begeistern. „Wir bieten als erster Campingplatz im Tessin seit 2011 eine Schönwetter-Versicherung als eine Art Rabattaktion an", sagt Karin Zanolini. Für neun Prozent des Übernachtungspreises erhält der Versicherungsnehmer eine Übernachtung gratis, falls es am Vortag zwischen 8 Uhr und 20 Uhr fünf Millimeter oder mehr geregnet hat. Meteo Schweiz als neutrale Instanz stelle im Streitfall die Messdaten zur Verfügung. „Etwa 300 unserer Gäste haben diese Versicherung bei uns abgeschlossen", sagt Zanolini. Ausgezeichnet mit dem Swiss Quality Award ist der 5-Sterne-Camping Tamaro auch ein heißer Kandidat für die Prädikat „Eco Camping".
Der Delta Campingplatz südlich von Locarno an der Maggia-Mündung gelegen, könnte kein besserer Ausgangspunkt für Ausflüge nach Ascona oder ins Maggia-Tal sein. Den Familienbetrieb, den Mila Merker seit 1998 in der dritten Generation führt, gibt es schon seit 1957. „Damals war dies zum See hin Brachland und im hinteren Bereich eine Kiesgrube." Nach und nach habe sich daraus ein Campingplatz mit 5-Sterne-Qualität entwickelt. Anfangs eher willkürlich angelegt, dafür mit viel Platz, Bäumen und Rasenflächen, loben die Gäste heute das „organisch gewachsene Areal, das teilweise eher einem Labyrinth ähnelt", lacht Merker. Zum 50. Geburtstag habe die Familie den Platz mit seinen 300 Plätzen komplett neu gestaltet, dennoch habe man die ursprüngliche „natürliche Struktur" belassen. Das Konzept gibt ihm recht, bereits im Jahr 2003 wurde Camping Delta das Gütesiegel „Swiss Quality Award" vom Schweizer Tourismusverband verliehen.
Im selben Jahr wie der Delta hat die Großmutter der Familie Pedrazzini den Campeggio Lido Mappo in Tenero eröffnet. Nach dem großen Umbau 1989 und der Erweiterung des Angebots durch einen Einkaufsladen und ein Restaurant 2005 bieten Tommaso Pedrazzini und seine drei Geschwister auf einer Fläche von 65.000 Quadratmeter 450 Stellplätze, darunter knapp 100 für Dauergäste, an. Viele davon sind direkt am Lago Maggiore angelegt und lassen den morgendlichen Blick vom Kaffeetisch auf Ruderer und Kajak-Paddler zu. Rund 100.000 Übernachtungen zählt Pedrazzini im Jahr auf dem 5-Sterne-Platz, wobei er sich auf seine Stammgäste aus der Schweiz, aus Deutschland und den Niederlanden verlassen kann. „Eine holländische Familie ist die absolute Rekordhalterin, sie kommt seit 51 Jahren auf den Lido Mappo."
Die Camping-Saison am Lago Maggiore beginnt zwei Wochen vor Ostern und dauert bis Ende Oktober.
03.01.12 [zurück zur Startseite] © 2012 Camping-Channel |